Photo: Cheers for fears festival, Dance: Antonia Koluiartseva

UNBOX.ME

Unser kreativer Prozess begann an der Folkwang Universität in Essen. Am Anfang haben wir uns mit Ängsten beschäftigt. Die Ängste, die mit Fernbeziehungen einhergehen, mit Nähe und Distanz. Wir untersuchen die Wirkung der beteiligten Personen. Gibt es nur eine digitale und körperlose Kontaktmöglichkeit? Verlieren wir, oder finden wir uns in der virtuellen Welt?

Die Bedürfnisse und Standpunkte sind oft verdreht, Missverständnisse und Misskommunikation treten auf, sei es beabsichtigt oder unbeabsichtigt. Unsere erste Idee für dieses Stück war die Zusammenarbeit mit einem Videokünstler. Geplant war, eine FaceTime-Konversation zu simulieren, indem eine lebensgroße Projektion der Tänzerin auf eine Leinwand verwendet wird, die die Tänzerin (Antonia Koluiartseva) nur durch das Betreten und Verschwinden,  in die ‘reale und fiktive Welt’ auf und abtauchen kann. 

Daher haben wir einen Musik-Komponisten in unseren Arbeitsprozess eingeladen, um auf verschiedenster Ebene der Musik-Kompositionen, Bezug auf konkrete Situationen anzudeuten. Dabei haben wir unsere erste Idee überdacht und für die Umsetzung uns entschieden, dieses Stück ohne Videoprojektion auf die Bühne zu bringen. Uns interessierte eher eine andere Option, die dieses komplexe Thema in unserer Meinung besser sichtbarer macht, ohne plakativ zu sein. Anstatt eine Leinwand zu verwenden, wollten wir einen separaten Raum erschaffen. Deshalb platzieren wir zwei Tribünen in der Mitte des Raumes, mit kaltem LED-Neonlicht als Einrahmung, die für uns den virtuellen Raum imitiert. Die elektrische Musik-Komposition unterstützt, schafft die Action-geladene Szenerie und Atmosphäre. Die Bewegung hier, ein von Antonia Koluiartseva getanztes Solo, wirft einen genauen Blick auf die Isolation, die wirkliche Einsamkeit, in der die oft oberflächliche, virtuelle Kommunikation ihre Künstlichkeit und die dadurch erzeugten Konflikte zu verschleiern versucht.

Programmheft Text
UNBOX.ME – „Hey, es ist schon eine Weile her, wie geht es dir? Was machst du gerade? Wo bist du? Hast du Zeit? Darf ich dein Gesicht sehen? Kannst du mich sehen? Kannst du mich hören?!”

Sollte es egal sein, ob ein Treffen nur noch in der virtuellen Welt möglich ist, aber in der Realität nicht mehr? Wenn die physische Distanz so stark zunimmt, dass wir zu anderen Mitteln greifen müssen? Bleiben wir nicht vor allem – allein? Und wie verändert der Zustand der Einsamkeit unsere Gefühle? Was passiert, wenn wir nur künstlichen Kontakt herstellen können, wo finden wir Sicherheit und Schutz? In der Natur finden wir verschiedene Beispiele für dieses Phänomen. Insekten durchlaufen Prozesse der vollständigen Isolierung, indem sie Kokons aufbauen, um zu wachsen und die nächste Lebensphase zu erreichen. Hier ist ein gewisses Maß an Einsamkeit für die Weiterentwicklung und die Fähigkeit zum Neustart unabdingbar. Was können wir aus der Einsamkeit lernen?

Konzept, Choreografie und Ansprechpartner: Hakan Sonakalan
Tänzerin und Choreografin: Antonia Koluiartseva
Komposition, Musik: Marco Girardin
Dauer: 20~ Min.
Genre: Tanz, Performance